Musik kann den Alltag ausblenden, Emotionen wecken und den Geist in eine andere Welt entführen. Wir haben den Pianisten Marcus Schinkel getroffen und mit ihm über seine musikalische Reise gesprochen. Das Interview ist erschienen in unserem Magazin Auszeit-Momente 2025.
Marcus, wie hat Deine Reise mit der Musik begonnen und was hat Dich dazu inspiriert, diese Leidenschaft auch zu Deinem Beruf zu machen?
Bei meinen Eltern im Haus stand schon immer ein Klavier, so dass es für mich ganz natürlich war, schon früh ein paar Tasten zu drücken. Mir gefiel die Art der Musik und mit 8 Jahren habe ich meinen ersten klassischen Klavierunterricht erhalten. Musik entspannt mich, lässt mich träumen und kreativ werden. Während meiner Schulzeit hatte ich dann eine eigene Band und verdiente zusätzlich als Pianist in einem französischen Restaurant mein erstes Geld. Nach dem Abitur wollte ich eigentlich Biochemie studieren um Umweltschützer zu werden, da ich das Bedürfnis hatte, die Welt bestmöglich zu erhalten und ihr etwas zurückzugeben. Doch es kam anders, denn bevor das Studium losging, unternahm ich mit zwei Schulfreunden, die gleichzeitig Bandkollegen waren, und einer Sängerin einen Roadtrip durch Frankreich. Wir machten Straßenmusik und ich erlebte einen tiefen Frieden, wenn ich sah, wie unsere Musik die Menschen berührte. Da wusste ich, ich muss die Chance nutzen und dieser Leidenschaft auch beruflich nachgehen.
Wie kam es dazu, dass Du Dein Studium in den Niederlanden absolviert hast und was hat Dich letztendlich ins Rheinland geführt?
Ich habe Jazz in Arnheim an der dortigen Mode- und Kunsthochschule studiert. Die Universität und die ganze Stadt haben eine ganz besondere Atmosphäre mit wunderschönen Gebäuden, Natur und der Nähe zum Rhein. Ich bin ein sehr romantischer Mensch und mir ist es wichtig, dass ich mich in der Stadt, wo ich wohne, auch wohlfühle. So bin ich letztendlich auch nach Bonn gekommen: Nach dem Studium war ich auf der Suche nach Aufträgen und einer lebendigen Musikszene. Köln war mir als Stadt zu groß, Bonn gefiel mir da auf Anhieb besser. Seitdem lebe ich in Bonn und liebe diese Stadt für ihren kulturellen Reichtum.

Du bewegst Dich in deinem aktuellen Wirken zwischen den Stilrichtungen Klassik, Jazz, Rock und Gypsy und bezeichnest Dich als Crossover-Pianist. Was fasziniert Dich besonders an diesem Mix und wo und was spielst Du am liebsten?
Ich komme ja aus der Klassik und das prägt mich bis heute. Während und nach der Schulzeit hatte ich Rockbands und nachdem ich dann die Stilrichtung Jazz studiert hatte, versuchte ich, diese drei Richtungen zu kombinieren. Das war irgendwie ein automatischer Prozess und nennt sich Crossover, also „über die Grenzen hinaus“. Ich liebe Beethoven und Bach, aber auch Keith Jarrett, Bill Evans, Stevie Wonder und Led Zeppelin und verlasse gerne meine Komfortzone. Seit meinem Studium trete ich unter anderem als Marcus Schinkel Trio zusammen mit Wim de Vries und Fritz Roppel in der ganzen Welt auf und Crossover ist unsere Art, klassische Werke neu zu interpretieren.
Nimm uns einmal mit in Deine kreative Gedankenwelt: Welche Herausforderungen begegnen Dir, wenn Du ein neues Stück erarbeitest und wie gehst Du damit um?
Letztendlich bin ich wie ein Bildhauer, der in einem Stück Stein etwas sieht, was er herausarbeiten möchte. Wenn ich ein Werk höre, experimentiere ich so lange herum, bis es sich für mich richtig anfühlt. Oftmals improvisiere ich auch, wie es ja üblich für Jazz ist, und es entsteht dann etwas ganz Neues. Die Herausforderung dabei ist, sich auf sein Bauchgefühl zu verlassen und mit den eigenen Emotionen zu gehen.
Gibt es ein besonderes Ereignis, an das Du Dich gern erinnerst und warum? Was wäre noch ein Traum von Dir?
Ich liebe es zu reisen und hatte bereits wundervolle Engagements auf der ganzen Welt. Für die Stadt Bonn bin ich zudem als „Kultur-Botschafter“ viel in deutschen Botschaften unterwegs. Ein Highlight von vielen war 2024 in Nepal in einem Kinderdorf ein Konzert mit Beethovens „Alle Menschen werden Brüder“ zu geben. Dort habe ich mit den Kindern und gespendeten Melodikas ein Orchester gegründet. Ich liebe es, mit meiner Musik die Menschen zusammenzuführen und Beethoven in moderner Form in die Welt zu bringen. Während der Corona-Pandemie hatte ich notgedrungen sehr viel Zeit und habe eine eigene Jazz-Messe mit Orchester „Credo in unum mundum“ komponiert und arrangiert, auf Grundlage von Beethovens „Missa Solemnis“. Damit oder mit einem anderen Stück in der Elbphilharmonie einmal aufzutreten, ist ein großer Traum von mir.
Du bist nicht nur aktiver Musiker, sondern unterrichtest auch privat Klavier in Bonn. Welche Botschaft möchtest Du Deinen Schülerinnen und Schülern vermitteln?
Musik verbindet die Menschen auf der ganzen Welt und lässt Grenzen verschwinden. Mit Musik kannst du Menschen berühren und die Welt so auf deine Weise zu einem besseren Ort machen. Ich sage meinen Schülerinnen und Schülern immer: Hört auf Euer Bauchgefühl und verbindet Euch mit den Emotionen, denn es ist wichtig, Euch selbst zuzuhören. Seid kreativ und traut Euch aus der Komfortzone.
Deine Musik wirkt oft sehr intensiv und energiegeladen und Du absolvierst viele verschiedene Auftritte in unterschiedlichen Konstellationen. Wie findest Du in Deinem Alltag einen Ausgleich, um auch mal abzuschalten? Und hast Du persönliche Lieblingsorte im Umkreis der Rheinstädte?
Da ich immer wieder mit verschiedenen Künstlerinnen und Künstlern zusammenarbeite, muss ich mich schnell auf die verschiedenen Charaktere und Emotionen einstellen. Da kommt es mir zugute, dass ich es liebe zu reisen, neue Menschen und Kulturen kennenzulernen und auch daraus meine Energie ziehe. Ansonsten liebe ich es, in der Natur zu sein, Fahrrad zu fahren und ich koche sehr gerne zum Ausgleich. Die Stadt Bonn schätze ich für ihre Vielfalt und Kultur und mein Lieblingsort ist am Rhein, fast egal, von wo ich ihn sehe oder mich bewege.

MARCUS SCHINKEL
Marcus Schinkel (*1968) studierte Klavier am Konservatorium Arnhem (NL) und spielte im Bundesjazzorchester unter Peter Herbolzheimer. Mit dem zu Studienzeiten gegründeten Marcus Schinkel Trio verbindet er Jazz und Klassik. Start war 1999 das Programm „Crossover Beethoven“ zur Verabschiedung des deutschen Bundestages in Bonn. Seitdem gab es weltweite Konzerte von Vietnam und China über ganz Europa bis nach Panama, Costa Rica und Honduras. Viele seiner Programme sind auf CD erschienen. Schinkel ist regelmäßig Gast beim Beethovenfest Bonn sowie auf vielen nationalen und internationalen Jazz- und Klassikbühnen. Er arbeitet als Solist, in Ensembles mit Ernie Watts oder Joscho Stephan zusammen, aber auch mit großen Orchestern wie dem Beethovenorchester Bonn. Seit 1993 ist er zudem in seinem Wohnort Bonn als Klavierlehrer im Bereich Jazz, Klassik und Pop tätig.
Aktuelle Bandprojekte und Termine (Auszug):
Soul Meets Jazz: Daria & Sonic Lake Collective
7. März 2025: Pantheon Bonn
13.Juli 2025: Dach der Bundeskunsthalle Bonn
World Music Meets Jazz: Over The Border Festival
16. März 2025: Pantheon Bonn
17. März 2025: Leverkusen Skala
18. März 2025: Cafe Hahn Koblenz
Integrativem Tanztheater Community Dance Bonn e.V. & Marcus Schinkel Trio
13. Mai 2025: Bundeskunsthalle, Bonn
Classic Meets Jazz: Marcus Schinkel Trio : Play Bach Reloaded
23. Mai 2025: Immanuelkirche Bonn,
22. Juni 2025: Kloster Heisterbach
Classic Meets Rock: Voyager IV, Pictures At An Exhibition & Rheingold
30. Mai 2025: Kulturwerk Wissen (Westerwald)
Classic Meets Gypsy: Marcus Schinkel Trio & Joscho Stephan
7. Juli 2025: Unter der Zeder Godesberg
Weitere Informationen unter https://www.marcus-schinkel.de/
und bei Youtube (externe Links):