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Momente

Auszeit mit Katharina Voigt

Gerade in der aktuellen Zeit sehnen wir uns mehr denn je nach einem Rückzugsort in der Natur, der uns Kraft spendet. Doch oftmals haben wir uns in unserem schnelllebigen und hektischen Alltag von der Natur entfremdet. Speziell ausgebildete Mentoren helfen uns bei der Rückverbindung zur Natur. Dabei geht es um Achtsamkeit, Verständnis und ökologische Zusammenhänge. Wir haben mit der Naturverbindungsmentorin Katharina Voigt über ihr Leben, natürliche Kreisläufe und die Bedeutung wahrer Naturverbundenheit gesprochen.

Du warst nicht immer selbständige Naturverbindungsmentorin. Wie sah Dein Leben früher aus?

Egal was ich bisher gemacht habe, ich war immer mit viel Leidenschaft und Hingabe dabei und konnte mich in verantwortungsvollen Tätigkeiten ausleben, die meistens sogar einen Bezug zur Natur hatten – wie zum Beispiel im Outdoor-Einzelhandel und als Etat-Direktorin für eine große Outdoor-Marke. Für die richtige Erfüllung im Beruf hat mir letztendlich trotzdem etwas gefehlt. Heute weiß ich, dass das die Verbindung zur Natur war. Zwar war ich immer schon viel draußen, bin viel und gerne gewandert und geklettert, sah die Natur jedoch mehr als eine Kulisse. Damals hatte ich noch nicht diese tiefe Verbindung, die ich heute habe.

Und wie sieht ein typischer Tag bei Dir heute aus?

Einen klassischen Tagesablauf habe ich nicht. Ich passe mich eher dem Kreislauf der Natur an und lebe im Einklang mit den Jahreszeiten. Der Winter ist daher für mich die Zeit, in der ich mich mehr zurückziehe und Zeit für mich habe. Stillstand erlebe ich da trotzdem nicht, denn in diesen Monaten entstehen viele Impulse und Ideen für neue Seminare. In den helleren Monaten werde ich dann genau wie die Natur aktiver. Hier findet der Hauptteil meiner Aktivitäten statt, von Seminaren, die ich für Wildnisschulen gebe über Wildpflanzenwanderungen im Siebengebirge. Darüber hinaus begleite ich Menschen in einem 1:1 Coaching auf ihrem persönlichen Weg zur Naturverbindung.

Apropos Naturverbindung: Wie genau hilfst Du Menschen, mit der Natur in Verbindung zu gehen?

Das ist total unterschiedlich, genau wie jeder Mensch individuell ist. Daher versuche ich jeden Menschen dort abzuholen, wo er oder sie steht. Meine Arbeit umfasst sowohl wissenschaftliche Anteile als auch die emotionale Ebene, zum Beispiel: Was macht der Anblick oder die Berührung und Weiterverarbeitung einer Pflanze mit mir? Bei meinen Wildnisseminaren lernen wir anhand der Werkzeuge verschiedener Naturvölker über das Leben in und mit der Natur. Wir schlafen im Zelt und bereiten unser eigenes Feuer. Dazwischen beschäftigen wir uns mit dem Thema Naturverbindung – sowohl durch Vorträge als auch praktische Übungen zu den Themen Sinneswahrnehmung, Achtsamkeit, Meditation und Pflanzenkunde. In Verbindung mit der Natur kann man auch durch eine einfache Routine gehen. Dabei wird eine immer gleiche Stelle im Wald gewählt, an der man regelmäßig still dasitzt, beobachtet und mit allen Sinnen wahrnimmt. So entsteht Vertrautheit und Naturverbindung.

Wildnis Seminar Übernachtung im Zelt

Warum ist Naturverbundenheit in unserer heutigen Zeit so wichtig?

Im Zeitalter von Klima- und Umweltkrisen ist es mein großes Anliegen, dazu beizutragen, dass wir Menschen uns nicht abgetrennt, sondern als ein Teil der Natur fühlen, indem wir in Beziehung gehen. Wenn ich Verbindung zu dem Ort aufbaue, an dem ich bin, und ihm mit offenen Augen begegne, finde ich eine tiefe innere Erfüllung, die von keinem Konsum und keiner äußeren Krise beeinträchtigt werden kann. Dazu muss ich auch gar nicht bis ans andere Ende der Welt reisen, sondern finde das bereits vor der eigenen Haustür. In der Natur herrscht eine Wert- und Vorurteilsfreiheit, wie sie im Alltag verloren gegangen ist.

Was fasziniert Dich an der Wildnis am meisten und was können wir von der Natur lernen?

Wildnis bedeutet für mich unberührte Natur, Leben pur und Lebendigkeit in allen Aspekten. Ich bin fasziniert von den Kreisläufen der Pflanzen – vom Sprießen der Samen im Frühjahr bis zum Absterben im Winter. Ich glaube, dass genau diese zyklischen Kreisläufe das sind, was wir von der Natur lernen können. Die Natur zeigt uns, dass wir alle Jahres- und Tageszeiten brauchen – auch wenn zum Beispiel der Winter für viele Menschen heutzutage schwer auszuhalten ist. Wir haben wir uns in unserem modernen Leben mehr und mehr vom natürlichen Jahreszeitenkreislauf entfernt. Wenn wir das Loslassen, Abschied nehmen und die Stille wieder mehr in unser Leben integrieren, dann gibt es die Möglichkeit für so viel neues Leben. Wir SIND auch Natur, wie jeder Baum und jede Ameise.

Was bedeutet Achtsamkeit für Dich und welche Rolle spielt diese in Deiner Arbeit?

Achtsamkeit ist für mich ein Zustand, der uns innewohnt, den wir aber nicht immer einnehmen. Er ermöglicht es uns, ganz im Moment zu sein und in Verbindung zu gehen, um alles, was da ist zu umarmen und zu akzeptieren. Achtsamkeit ist für mich die Voraussetzung, um eine Verbindung zur Natur aufnehmen zu können.

Was ist Dein persönlicher Lieblingsort im Siebengebirge?

Da gibt es viele Orte, die mir ans Herz gewachsen sind, aber auch einen ganz klaren Lieblingsort: den Stenzelberg! Es ist für mich ein magischer Ort, gleichzeitig Ruhe-Oase und Kraftort. Die felsigen Wände und der Steinbruch im Hintergrund geben ihm Rauheit, während die Pflänzchen, die dazwischen sprießen, viel Zartheit mitbringen.

KATHARINA VOIGT

Aufgewachsen ist Katharina Voigt in Sankt Augustin bei Bonn. 2002 hat sie ihr BWL-Studium abgeschlossen und nach 15 Jahren Berufserfahrung in einer Kreativ-Agentur, im Outdoor-Einzelhandel, der Automobilbranche und einer Tauchschule auf den Malediven eine Ausbildung zur Wildnispädagogin absolviert. Ihre Liebe und Begeisterung für die Natur möchte Katharina Voigt weitergeben. Daher begleitet sie Menschen auf ihrem Weg zu mehr Naturverbundenheit.

Das Interview ist erschienen in unserem Magazin Auszeit-Momente 2021